Der Campanile Basso – 12. August 1897 – 18. August 1899

Bald jährt sich der Jahrestag der Erstbesteigung des Campanile Basso

Eine faszinierende Geschichte, jene des Campanile Basso, mit Hexen,

Irredentisten und Pangermanisten alter Zeiten

 

Der Campanile Basso gehört zur zentralen und südlichen Untergruppe der Brenta-Dolomiten und besteht aus Hauptdolomit aus dem oberen Trias, der reich an Gastropoden- und Muschelfossilien ist. Die schlanke Form geht auf die orogenen Bewegungen zurück, die die Dolomitenmassen stauchten; die dadurch entstandenen Klüfte waren einer verstärkten Verwitterung und Erosion durch die atmosphärischen Einflüsse ausgesetzt, was zur Ausbildung dieser bizarren schlanken Gesteinsformationen in Form von Türmen und Kirchtürmen führte.

Wie viele andere Gipfel, die zur damaligen Zeit als unzugänglich eingestuft wurden, wurde auch der Campanile Basso erst relativ spät im Jahr 1882 auf einer Karte eingezeichnet (Topografia del Gruppo di Brenta, sull’8° Annuario SAT); damals hieß er Campanile del Brenta, mit diesem Namen wurden beide Felstürme, der niedrigere und der höhere Campanile, bezeichnet.

Zwei Jahre später veröffentlichte Compton eine Landkarte (veröffentlicht in: Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins), auf der beide Felstürme separat eingezeichnet sind. Dies ist weiter nicht verwunderlich, weil die genaue Lage und die Bezeichnung einiger Gipfel der Brenta-Dolomiten für lange Zeit Gegenstand kontroverser Interpretationen war. Die Bewohner des Brentagebirges nannten den „Basso“ „Campanil dei Massòdi“, während die Bewohner des Cembratals, die den „Basso“ aus der Ferne sehen konnten, ihn als “Campanil dèle strie” bezeichneten.

Die Deutschen hielten sich hingegen an die Lehre von Karl Schulz (Die Brenta Gruppe, IN: E. Richter, Erschliessung der Ostalpen, Berlin, 1894), und nannten ihn „Guglia (Nadel) di Brenta“, eine Bezeichnung, die auch heute noch unter ausländischen Bergsteigern geläufig ist.

Somit begann die interessante Geschichte des Campanile Basso schon einige Zeit vor seiner Erstbesteigung.

Der erste Besteigungsversuch des Campanile Basso fand 1897 statt. Am 12. August dieses Jahres besteigen der Textilkaufmann Carlo Garbari (Trient 1869-1937) und der Bergführer Nino Pooli (Covelo, 1862-1935) den Campanile Basso vom Südhang aus; 15 m vor der Spitze werden sie von einer vertikalen Wand aufgehalten und jeder Versuch des tapferen Pooli, die Wand doch noch zu erklimmen, ist aussichtslos.

Zwei Jahre später versuchen es zwei Bergsteiger aus Österreich. Der österreichische Geologe Otto Ampferer (Hötting 1874-1947) und Karl Berger (Innsbruck 1880-Madonna di Campiglio 1915) schlagen wie zwei Jahre zuvor Garbari und Pooli ebenfalls die Südroute ein, kommen auch bis zur Felswand, entscheiden sich aber dafür, diese zu umgehen, anstatt sie wie die Trientner bezwingen zu wollen, und ebnen sich so den Weg zum Gipfel. Die Besteigung ist ein großer Erfolg für den deutschen Alpinismus und eine tiefe Enttäuschung für die Trientner Bergsteiger. Der Wettkampf zwischen den beiden Alpenvereinen, dem Deutsch-Österreichischen und dem Trentiner Alpenverein, wird zu einem nationalen Anliegen und aus diesem Grund erschließt Pooli 1904 zusammen mit Riccardo Trenti, einem Typographen und engem Freund von Cesare Battisti, eine neue Kletterroute auf dem Campanile Basso; sie verläuft auf der schon vorher von ihm begangenen Route und hat einen Schwierigkeitsgrad von 5+. Auf dem Gipfel angekommen, hissen sie eine Flagge mit den Trientner Farben. Die Ehre des Trentino ist somit zwar teilweise wieder hergestellt, aber sehr bald schon wird die Auseinandersetzung zwischen Irredentisten und Pangermanisten ganz andere Ausmaße annehmen.

Riccardo Decarli

Biblioteca della Montagna – SAT, Trientner Alpenverein