Geologische Forschung in den Dolomiten
Mythos und Geheimnisvolles
Der Katholik Franz Ferdinand Giuliani (1741) berichtete als erster über Fossilien in den nördlichen Dolomiten und stellte sie mit der biblischen Sintflut in Verbindung.
Fast gleichzeitig erstellte Giovanni Arduino (1714-1795) in seinen geologischen Studien über die venetischen Dolomiten ein System zur chronologischen Einteilung der geologischen Erdzeitalter von Primär zu Quartär. Dank dieser frühen Beiträge kam es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer ersten Unterteilung nach Gesteinsschichten.
Die Mineralien … eine nützliche Ressource
Aus der Literatur des 19. Jahrhunderts erfahren wir, dass es der Bergbau war, der das Interesse der Wissenschaftler mehr und mehr auf die Dolomiten lenkte. Das gesamte Gebiet stand in dieser Zeit unter österreichischer Verwaltung, die massiv die Erschließung von Lagerstätten förderte und die Erstellung erster Entwürfe topographischer und geologischer Karten unterstützte. Zunächst wurden die kleineren Eisenoxidvorkommen untersucht, die man in den Karbonatschichten der Mittleren Trias fand, und die auch in abgelegenen und nur schwer zugänglichen Orten gefördert wurden, später stieg auch das Interesse an anderen verwertbaren Mineralien.
Dolomieu und die Entdeckung des Dolomitsteins
Allmählich wuchs das Interesse an der Region auch in akademischen Kreisen. Einen großen Beitrag zur Erschließung der Dolomiten leistete ein französischer Edelmann, Dieudonné Sylvain Guy Tancrede Grater de Dolomieu (1750-1801), ein Wissenschaftler aus dem französischen Savoyen und hoch angesehener Professor an der Ècole des Mines in Paris. Während einer Reise von Tirol nach Italien im Jahre 1788 sammelte er im Etschtal bei Salurn einige Proben des karbonatischen Gesteins, das auf eigenartige Weise mit Säuren reagierte. Fasziniert von seinen Beobachtungen schickte er dem Schweizer Mineralogen Nicolas Theodore de Saussure mehrere Proben, der sie analysierte und als Kalzium-Magnesiumkarbonat identifizierte. Das neue Mineral erhielt den Namen „Dolomit“ und ihm verdanken die Dolomiten ihren heutigen Namen. Dolomieu leistete einen weiteren Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte über die Dolomiten: 1789 veröffentlichte er eine revolutionäre und prophetische Abhandlung über die Altersbestimmung von intrusiven und extrusiven Vulkangesteinen.
Die Dolomiten und der Plutonismus – der Neptunismusstreit
Zwischen 1790 und 1830 spielten die Dolomiten eine zunehmend wichtige Rolle in der geologischen Debatte und wurden im Streit zwischen den Anhängern der verschiedenen Theorien über den Ursprung der magmatischen Gesteine (Plutonismus und Neptunismus) ein regelrechtes Labor unter freiem Himmel. Die berühmten Wissenschaftler Friedrich Alexander von Humboldt (1769-1859), Christian Leopold von Buch (1774-1853) und Joseph Louis Gay-Lussac (1778-1850) kamen auf dem Rückweg von einer Forschungsreise zu den Vulkanen Süditaliens nach Predazzo, um diese wichtige Lagerstätte der vulkanischen und dolomitischen Mitteltrias zu besuchen. Sie beobachteten die komplizierte stratigraphische Beziehung zwischen dem Granit (Vulkangestein) und dem angrenzenden, fossilienreichen Karbonat (Sedimentgestein). Von Humboldt erarbeitete die erste zusammenfassende Abhandlung über die Geologie der Dolomiten und untersuchte die Intrusion von Predazzo sehr sorgfältig; Christian Leopold von Buch formulierte neue Theorien über den Aufbau der Vulkanformationen. Die Diskussion um die vulkanische Lagerstätte von Predazzo lockte eine Schar von Forschern in die Region, das kleine Gasthaus im Ort, die Nave d’Oro, wurde für einige Zeit eine der wichtigsten europäischen Stätten für die Entwicklung der modernen Geologie, was auch heute noch gut durch die Eintragungen und geologischen Entwürfe im Gästebuch belegt ist.
Das Interesse an den Dolomiten wächst: ein Meer voller Entdeckungen
Der Italiener Tommaso Antonio Catullo (1782-1869) erarbeitete eine erste paläontologische Abhandlung über die Dolomiten und die venetischen Alpen (Aufsatz über die fossile Zoologie, 1827). Er untersuchte auch die Mineralvorkommen der Region, um sie eventuell für den Bergbau des österreichischen Kaiserreichs zu erschließen. Francesco Facchini (1788-1852) wurde in Moena geboren und war somit der erste einheimische Naturforscher. Er arbeitete an der Datierung einiger basaltischen Laven der Dolomiten und leistete einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Geologie der Region. Wilhelm Fuchs, ein Geologe der Bergwerke von Agordo, entwarf detaillierte geologische Karten (1814) der nördlichen Teile der Dolomiten. Georg Graf zu Münster (1776-1844) beschrieb die Fauna der lehmigen Kalksteine in der Sankt-Kassian-Formation (1834, 1841) und unterstrich damit den außergewöhnlichen Reichtum an paläontologischen Objekten dieser Felsen.
Die paläontologischen Studien dieser frühen Wissenschaftler legten den Grundstein zur modernen Stratigraphie der triassischen Tethys. Der deutsche Geologe Ferdinand von Richthofen (1833-1905) erkannte gerade 26-jährig den organischen Ursprung als biogene Inseln und Riffe einiger dolomitischen Felsengruppen und ordnete sie uralten tropischen Unterwasserlebensräumen zu (1860). Zudem beschrieb er als erster die Rolle der Absenkung auf die Anhäufung dicker Karbonatlagen in Flachwassermeeren.
Ein weiterer Meilenstein der Geowissenschaften war die Veröffentlichung des Werkes „Die Dolomitriffe von Südtirol und Venetien“ (1879) von Johan August Edmund von Mojsisovics (1839-1907). Das illustrierte Buch besticht durch die großartigen Fotos der Region und die präzisen geologischen Karten. Der Adelige bestätigte die Genauigkeit der Beobachtungen von Von Richthofen und lieferte eine eindeutige Interpretation der Ablagerungsformen und der Stratigraphie der fossilen Inseln und Riffe, die auch heute noch anerkannt ist. Einen wichtigen Beitrag zur geologischen Erschließung der Dolomiten hat Von Mojsisovics auch durch seine Kartierungen und Interpretationen vieler wichtiger tektonischer Bruchlinien geliefert. Am Ende des 19. Jahrhunderts erstellte die österreichisch-ungarische Verwaltung ein koordiniertes geologisches Kartenwerke mit einer Reihe von paläontologischen Sachbeiträgen (Guido Stache; Franz Hauer; Ernst Kittl und andere), in der auch die biostratigraphische Gliederung der Trias festgelegt wurde, deren Schichten den Namen der alten Völker der Dolomiten und nahe gelegener alpinen Regionen erhielten (Anisium, Ladinium, Karnium, Norium und Rhaetium).
Sehr bedeutsam für die Geschichte der Geowissenschaften ist auch die Wissenschaftlerin Maria Ogilvie Gordon (1864-1939). Durch ihre starke Persönlichkeit gelang es ihr, als erste Frau weltweit einen Hochschulabschluss und ein Doktorat in Geologie zu erwerben. In den Dolomiten untersuchte sie die geologischen Beziehungen zwischen den Karbonatplattformen, Vulkan- und Beckenkörpern (1893, 1894) und die vulkanischen Gesteine der Monzonikette und des Monte Buffaure (1903). In den dreißiger Jahren arbeitete sie auch auf dem Langkofel-Plattkofel-Massiv und bestieg es noch im Alter von siebzig Jahren.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts gesellten sich zu diesen wichtigen Beiträgen viele tausende weitere Studien international anerkannter Wissenschaftler aus der ganzen Welt. Auch heute noch sind die Dolomiten von einem geologischen und geomorphologischen Gesichtspunkt aus eines der interessantesten Gebiete der Welt. Dank dieser zahlreichen Forschungsbeiträge war es möglich, eine sehr detaillierte und genaue chronologische Unterteilung der Trias zu erhalten und die Rückkehr des Lebens nach den großen Kataklysmen der Erdgeschichte zu rekonstruieren. Vorerst noch ungelöst und lebhaft debattiert bleibt der Prozess der Dolomitisierung.